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Reaktionsmöglichkeiten auf Abmahnungen | Response options to warning letters

Reaktionsmöglichkeiten auf Abmahnungen

Es gibt kein Patentrezept

Auch wenn es in manchen Internet-Foren behauptet wird, gibt es kein Patentrezept, nicht einmal bezüglich der Abmahnungen, die von derselben Kanzlei kommen. Jeder Fall muss individuell betrachtet werden.

Verschiedene Wege und deren Kosten

Abmahnung ignorieren?

Das hilft manchmal, ist aber in der Regel keine gute Strategie und deshalb meist nicht empfehlenswert.

Geforderte Erklärung unterschreiben?

Das verspricht zwar baldmöglichste Ruhe an der Rechtsfront, kann aber sehr leicht ins Auge gehen und erst recht gewaltige Probleme aufwerfen. Insbesondere beinhalten viele der von den Gegnerkanzleien vorgeschlagenen Erklärungen die Übernahme weitergehender Verpflichtungen, die man ansonsten juristisch abwehren könnte. Der Hintergrund liegt darin, dass mit der Abgabe einer solchen Erklärung gleichzeitig der Anspruch der Gegenseite anerkannt wird. Oft werden gleichzeitig auch weitere Verpflichtungen, insbesondere zu Schadensersatz, Kostenerstattung und Auskunftserteilung übernommen, womit auch diese Ansprüche anerkannt werden. Von derartigen Anerkenntnissen später wieder Abstand zu nehmen ist nur ausnahmsweise möglich.

Vermeidung einer einstweiligen Verfügung: Modifizierte Unterlassungserklärung abgeben

Das ist dann ein gangbarer Weg, wenn man ansonsten befürchten muss, dass die Gegenseite eine einstweilige Verfügung beantragt. Dieses Risiko ist bei den verschiedenen typischen Abmahnkanzleien unterschiedlich hoch. Normalerweise kann eine solche einstweilige Verfügung nur bezüglich des Unterlassungsanspruchs ergehen, nicht jedoch bezüglich etwaiger Schadensersatzansprüche. Ob Auskunftsansprüche mittels einstweiliger Verfügung durchgesetzt werden können, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab.

Vermeidung von Hauptsacheverfahren

Alle Ansprüche, also auch die, die per einstweiliger Verfügung geltend gemacht werden können, können durch eine normale Klage (Hauptsacheverfahren) geltend gemacht werden, wodurch zusätzliche weitere erhebliche Kosten entstehen – im Prinzip geht es um eine Vervielfachung der Kosten. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn nach einer einstweiligen Verfügung keine sog. Abschlusserklärung abgegeben wird.

Abwehr und/oder Gegenangriff

Die Ansprüche zurückweisen

Diese Variante sollte nur dann gewählt werden, wenn man sich einerseits gute juristische Chancen einräumt und andererseits bereit ist, notfalls durch alle verfügbaren Instanzen zu ziehen. Dieses Vorgehen gleicht einer Wette, bei der man Gerichts- und Anwaltskosten setzt. Gewinnt man, bekommt man den Einsatz von der Gegenseite erstattet (so sie zahlungskräftig ist); verliert man, sind die eigenen Kosten verloren und man muss dem Gegner seine Kosten erstatten. In der Praxis am wahrscheinlichsten ist ein Vergleich; dabei werden die Kosten in der Regel nach der Quote des Siegens/Verlierens geteilt.

Zum Gegenangriff übergehen

Ist man sich sicher und/oder will man seinen eigenen Standpunkt durchsetzen und scheut die Kosten gerichtlicher Auseinandersetzungen nicht, kann man - auch gegen eine einstweilige Verfügung - zum Gegenangriff übergehen. Dazu gibt es mehrere Möglichkeiten, die im Einzelnen juristisch recht kompliziert sind, und deshalb hier nicht näher erläutert werden; hier nur Grundzüge:

Basics zu Gerichtsverfahren

Vollziehung, Frist und Folgen

Hat die Gegenseite eine einstweilige Verfügung beantragt und bekommen, so muss sie diese innerhalb einer Frist von einem Monat vollziehen; sie gerät also damit selbst in Zugzwang. Vollzieht sie nicht rechtzeitig, kann man die Aufhebung der einstweiligen Verfügung beantragen, was dazu führt, dass der Gegenseite Kosten auferlegt werden. Vollzieht sie die einstweilige Verfügung und stellt das Gericht später (im weiteren Verfahren über die einstweilige Verfügung oder im zugehörigen Hauptsacheverfahren) fest, dass die Voraussetzungen für den Erlass der einstweiligen Verfügung nicht gegeben waren, muss die Gegenseite Schadensersatz leisten für alle Schäden, die durch die Vollziehung entstanden sind.

Rechtliche Möglichkeiten gegen die einstweilige Verfügung

Wird vom Gericht eine einstweilige Verfügung erlassen, können Sie dagegen Widerspruch oder Berufung einlegen. Die Möglichkeit zum Widerspruch ist dann gegeben, wenn die einstweilige Verfügung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss erlassen wurde. Die Möglichkeit zur Berufung ist dann gegeben, wenn die einstweilige Verfügung nach mündlicher Verhandlung durch Urteil erlassen wurde.

Auch können Sie die Gegenseite zur Erhebung der zugehörigen Hauptsacheklage auffordern. Wird die Hauptsacheklage nicht rechtzeitig erhoben, kann die Aufhebung der einstweiligen Verfügung beantragt werden.

Negative Feststellungsklage

Ist die Hauptsache noch nicht bei einem Gericht anhängig, können Sie eine sog. negative Feststellungsklage erheben mit dem Ziel, dass das Gericht rechtskräftig feststellt, dass die von der Gegenseite erhobenen Ansprüche nicht bestehen.

Diesen Weg können Sie auch beschreiten, wenn die Gegenseite noch keine einstweilige Verfügung hat, sondern sie Ihnen gegenüber behauptet hat, diese Ansprüche zu haben. In diesem Fall können Sie unter den gesetzlich möglichen Gerichten auswählen, bei welchem Gericht sie die negative Feststellungsklage erheben. Hier können Sie sich beispielsweise dasjenige Gericht aussuchen, dessen bisherige Rechtsprechung Ihnen am günstigsten ist.

Ist in Ihrem Fall auch die Zuständigkeit italienischer oder belgischer Gerichte gegeben, können Sie die negative Feststellungsklage auch dort erheben. Dieses Vorgehen ist insbesondere in Patentstreitigkeiten beliebt, weil Gerichtsverfahren in diesen Ländern so lange verzögert werden können, bis die Patentlaufzeit vorbei ist – man nennt diese Klagen auch belgisches bzw. italienisches Torpedo.

Kosten der einzelnen Wege

In der Regel am günstigsten ist es, die Sache ohne Einschaltung der Gerichte zum Abschluss zu bringen. Hier fällt an Verfahrenskosten beim eigenen Anwalt eine sog. Geschäftsgebühr an und für den Fall, dass man sich mit der Gegenseite einigen kann, eine sog. Einigungsgebühr.

In der Regel am teuersten ist der Versuch der Abwehr der gegnerischen Ansprüche, wenn er misslingt.

Wie das in konkreten Beträgen aussieht, können Sie sich auf einer Internetseite des Deutschen Anwaltsvereins ausrechnen lassen: https://anwaltsblatt.anwaltverein.de/de/apps/prozesskostenrechner. Hier müssen sie den Streitwert Ihrer Sache eingeben und ankreuzen, ob und wieweit Sie gerichtlich vorgehen, dann wird Ihnen direkt angezeigt, mit welchen Kosten dieser Weg verbunden ist.

Bei einer typischen Markenabmahnung können je nachdem, welchen Weg Sie einschlagen, beispielsweise Kosten bis zu mehreren zehntausend Euro – im Falle von Abwehr und Gegenangriff über 100.000 Euro - entstehen. Ob Sie dieses Risiko eingehen wollen, will gut überlegt sein.